Meine sehr geehrten Damen und Herren,
nach zu trockenen Sommern und sinkenden Grundwasserspiegeln schenkt uns das Wetter heuer immens viele feuchte Luftmassen und wir sehnen uns nach mehr Wärme. Böse Zungen behaupten, dass Klimawandel und Erderwärmung nicht hier, sondern andernorts fühlbar seien und wir im heranbrechenden Sommer mehr frieren als schwitzen werden. Das stimmt natürlich so nicht.
Die Konsequenzen des Klimawandels sind überall spürbar und wir werden lernen müssen mit heftigerem Wetter umzugehen. Wie es das Schicksal so wollte, fällt die Ausstellung „WASSERstoff“ mit einem Flutfrühling zusammen, wie wir ihn lang nicht mehr erlebt haben.
„Das Prinzip aller Dinge ist Wasser; aus Wasser ist alles, und ins Wasser kehrt alles zurück“ schrieb im 7. Jh. v. Chr. Thales von Milet.
Wasser ist ein wunderbares Thema für diesen Ort, denn die Altmühl, fließt direkt am Garten des memu vorbei.
Wasser spielte schon immer in Kunst und Kulten aller Ethnien auf allen Kontinenten eine große Rolle.
Wasser lässt alles Leben gedeihen. Ohne Wasser wären wir nicht.
Wir trinken es, gebrauchen es, befahren es, schwimmen und tauchen darin, wir verschmutzen es.
Vice versa besitzt Wasser eine ungeheure Naturgewalt und zerstört alles, restlos.
Wasser ist ein Bedeutungsträger, der in Kunstwerken aller Epochen der Europäischen Kunstgeschichte erscheint.
Von Bildern des Christus Pantokrator, aus dessen Thron die vier Ströme entspringen, über die Taufe im Jordan, Flusslandschaften im Hintergrund spätmittelalterlicher Altäre, der Susanna im Bade, Seeschlachten und Chiemsee Fischern, Enten im Teich bis zum Spiel der Wellen von Böcklin. Nur ein ganz kleiner Abriss eines riesengroßen Schatzes an Motiven.
Die zeitgenössische Kunst thematisiert Wasser ebenso in den unterschiedlichsten Ausdrucksformen.
So traf Kurator Harry Meyer für die Ausstellung „WASSERstoff“ eine kluge Auswahl an Künstlerinnen und Künstlern, deren Werke inhaltsreich und ästhetisch mit dem lebensspendenden Stoff umgehen.
Sie werden Wasser in seinen Aggregatzuständen künstlerisch interpretiert sehen in Malerei, Zeichnung, Grafik, Bildhauerei, Textil und Fotografie.
Sie werden Landschaften sehen ebenso wie symbolhaft Gegenständliches, zarte Figurationen und das Wasser als Naturgewalt.
Sie werden Pastellkreiden und Öl-, Acryl- und Wasserfarben, Keramik und Corten- und Edelstahl sehen sowie die Texturen von Papier, Leinwand und Jacquardgewebe.
Eine spannende Zusammenstellung, die Erlebnisse und Erfahrungen der Künstlerinnen und Künstler, ja deren Liebe zum Wasser widerspiegelt.
Ich will Ihnen einen Überblick geben über die einzelnen Themenräume:
Ansgar Skiba aus Düsseldorf ist fasziniert von der Meeresbrandung, deren Kraft er in wuchtigen Wellen weißtürkisblau in pastosem Öl verrollend festhält.
Peter Lang aus Gleißenberg im Bayerischen Wald liebt die Weite des Nordmeeres um Island und dessen unendliche Horizontlinie. In streng linearen Schnurbildern lässt er Wasser und Himmel atmosphärisch ineinander übergehen.
Willi Weiner aus Stuttgart hält in vertikal und horizontal gearbeiteten Skulpturen aus Cortenstahl und Lack Wasserfall und Gletschereis fest und manifestiert das zerrinnende Nass in seiner Kunst. Reizvoll der Kontrast zwischen roter Korrosion und hellem Türkis.
Franz Baumgartner aus Köln fasst gleich mehrere Aggregatzustände des Wassers zusammen und emulgiert Regen, Nebel und den über die Ufer getretenen Fluss stimmungsvoll in seiner Landschaftsmalerei.
Jochen Hein aus Hamburg spielt mit der Wahrnehmung des Betrachters in imposanten Küstenlandschaften, mit mächtigen Gletscherabbrüchen und Felsen, aus der Ferne minutiös, aus der Nähe sich auflösend.
Ein weiterer Raum:
Sonja Weber aus München webt wunderbare Bilder aus Jacquardgewebe, so als seien sie gemalt. Sie steht in der Tradition der Europäischen Bildteppiche, löst sich jedoch los von Genres und zeigt Ausschnitte aus der Unendlichkeit bewegten Meerwassers, was sie seit jeher zutiefst beeindruckt.
Christoph Rehm aus Augsburg nahm Küstenlandschaften Islands mit einer Großformatkamera auf und ließ Fehlbelichtungen, ja Fehler zu, in einer Zeit technisch perfekter Fotografie. Auch er spielt mit der Wahrnehmung des Betrachters.
Im nächsten Raum ebenso zwei Positionen:
Patrick Rohner aus dem im Kanton Zürich gelegenen Rüti entwickelt seine „Wasserzeichnungen“ in Wannen, in denen er Papiere einlegt und über längere Zeiträume mit dünnflüssigen Acryl-und Aquarellfarben den Zufall arbeiten lässt, mit Verdunstungsrändern arbeitet und reizvolle Reliefs im Papier provoziert.
Josef Zankl aus Mering bei Augsburg hält ephemere Fließformen von Tropfen präzise gezeichnet mit Tusche und Farbstift in archaisch anmutender Schönheit fest.
Im nächsten Raum trifft Ulrike Hogrebe aus Neuwerder im Havelland auf Jörg Bach aus Mühlheim an der Donau.
Hogrebe schafft stille Anmutungen von Booten im ruhigen Wasser samt konstruktiven und natürlichen Formen ohne menschliche Figuration.
Jörg Bach diskutiert die Naturgewalt des Wassers und den dagegen fragilen Körper eines Schiffs.in modulartigen Bootsformen aus Cortenstahl geschweißt, die er Seelenverkäufer nennt.
In einem weiteren Raum sieht man ihn zusammen mit Werken von Barbara Ehrmann.
Dort zeigt er aus der Intuition entstandene imaginäre, stilisierte Formen aus handpoliertem Edelstahl als Ideen aus unzähligen Möglichkeiten, Bewegung von spritzendem Wasser festzuhalten und eine Form dafür zu schmieden.
Barbara Ehrmann aus Ravensburg verarbeitet ihre Erfahrungen als Apnoetaucherin und lässt ihre inneren Bilder zu zarten Figurationen und Chiffren aus Tusche auf Japanpapier werden.
Im letzten Raum trifft man auf drei Künstlerinnen:
Gerlinde Zantis lebt in Aachen und in Friedrichshafen, ihre Pastelle bestechen durch virtuosen Naturalismus, man meint vor den Felsformationen und Wassern der Ardèche zu stehen, wohin sie jährlich reist und sich von der wilden Natur inspirieren lässt.
Anna Arnskötter aus Lenztke in Brandenburg beschäftigt sich in ihren Keramiken mit dem Speichern des Wassers und entwickelt phantasiereich hohe Architekturen von Wassertürmen und Behältern der modernen Zivilisation.
Die Arbeiten von Petra Schuppenhauer aus Leipzig zeigen Wasser-und Eislandschaften in ebenfalls beeindruckender Holzschnitttechnik und neoromantischer Anmutung.
Kunst auf hohe Niveau präsentiert in den exzellent restaurierten Räumen des memu.
Davor glitzernd-silbrig grau die Altmühl, deren Fließen die Verbindung zum zweiten Ausstellungsteil herstellt.
Wasser ist essentiell für das Leben und die Linie ein wesentliches Element in der Malerei. Es gibt auch hierzu vieles zu zeigen und Kurator Harry Meyer setzt die letztjährige Ausstellung „Die Linie als malerisches Phänomen“ fort und lud Georg Bernhard ein, der in Augsburg und am Ammersee lebt, sowie Susanne Ackermann und Jochen Schambeck aus Karlsruhe, Çiĝdem Aky, Doris Hahlweg und Carolina Kreusch aus München, ihre Positionen zu zeigen.
Linie ist immer. Sie umreißt Körper, weist Richtung und akzentuiert, bildet Geflechte, versetzt in Bewegung, dreht, kringelt, kurvt.
Gewissermaßen ist die Linie eine Alleskönnerin. Und so vielseitig sie im ersten Teil 2023 zu sehen war, so vielseitig wird sie auch diesmal von den Künstlerinnen und Künstler in ihren Werken formuliert.
In einem Themenraum begegnen sich Carolina Kreusch und Jochen Schambeck. Kreusch setzt rhythmische Linienstrukturen gegen beruhigte Flächen und entwickelt ihre konstruktiven Arbeiten sowohl farblich als auch formal kontrastreich in freien Formen; die Malerei wird zum Objekt.
Schambecks Tondi hingegen leben vom klaren Rund und einem energiereichen koloristischen Gestus, in dem Linien in leuchtenden Farben linear vom Pinsel bewegt werden.
Die jüngste Teilnehmerin und der älteste Teilnehmer begegnen sich in einem Raum:
Çiĝdem Aky öffnet Fenster in ihren Leinwänden, in denen atmosphärische Farbübergänge einen Tiefenraum erzeugen und von kontrollierten linearen Spuren breiter Pinselstriche umrahmt werden. Eine malerische Architektur entsteht, die Pigmente materialisiert.
Georg Bernhard lässt auf tiefleuchtenden Hintergründen die menschliche Figur erscheinen, der Ausgangspunkt jeglicher Kunst. Dynamische Linien sprechen vom Leben, von Individuum und Miteinander und von der Existenz.
Zuletzt treffen zwei Künstlerinnen zusammen:
Wellenförmige Geflechte erscheinen mehrfach überlagert auf den Arbeiten von Susanne Ackermann. Linien bewegen sich rhythmisch im ewigen Fluss, die Malerei wie die Betrachtung kontemplativ.
Doris Hahlweg schließlich fängt in ihren luftig-transparenten Farben einerseits ihren Hang zur wohlüberlegten Bildgestaltung ein, andererseits lässt sie die linearen Strukturen intuitiv verselbständigen.
Jeder Künstlerin und jedem Künstler müsste man viele Worte mehr gönnen, so intensiv und beeindruckend sind all ihre Arbeiten.